Diese Straße sollte man einmal befahren haben. Die Carretera Internacional teilt die Dominikanische Republik und Haiti, verbindet die Provinzen Elias Piña (Comendador) und Dajabon (Restauracion). Entlang dieser Wegstrecke gibt es unzählige Eindrücke für den Reisenden, die aber nicht jeder verkraften kann. Die Grenzstraße wird als Grenzlinie bezeichnet, wenn auch die meiste Strecke auf haitianischem Gebiet verläuft, wie auch der Rio Artibonito. Er entspringt auf dominikanischem Grund und Boden, doch im weiteren Verlauf (240 km Länge) ist der Wasserlauf auf haitianischem Boden.
Noch hört es sich romantisch an, doch was man hier zu sehen bekommt ist nichts für schwache Nerven oder Gemüter. Die Natur zeigt ein grausames Bild, ein Wechselspiel von braunen Staubböden und grünen Wäldern und Tälern. Der Gegensatz zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik. Dürre und kristallklare Wasser im Gegensatz.
Auf der einen Seite sieht man eine fast üppig zu nennende Vegetation. Und auf der anderen Straßenseite, gerade mal 4 Meter entfernt, „verbrannte“ Erde. Trockenheit und Staub und Steine, wenn hier was wächst, dann Unkraut. In der Ferne sieht man immer wieder Qualm aufsteigen. Hier setzt man das Übel fort was Haiti verwüstet hat. Man fällt Bäume um Holzkohle zu produzieren. Die Folgen sind nun unübersehbar. Einstige Grünflächen sind verkarstet. Der Boden ausgetrocknet, für Anbau nicht geeignet.
Fährt man vom Süden in Richtung Norden, dann lautet das Ziel Restauracion. Die Straße ist schlecht befahrbar, die Reisegeschwindigkeit beträgt nicht viel mehr als 20 km/h, manchmal muss man in Schrittgeschwindigkeit durch die Schlaglöcher fahren. Man passiert einige abgelegene haitianische Siedlungen wie La croix, Nantoro, La Source, El Corte, Tiroli und Calavacie. Die letztere Siedlung ist die größte.
Wenn man mit seinem Auto sich den Siedlungen nähert, dann bleibt dies nicht verborgen, die Staubwolken sind weithin sichtbar. Kinder und Jugendliche aus den Siedlungen rennen zur Straße, oft nur mit Lumpen bekleidet, manche auch nackt. Sie recken die Hände in die Luft, betteln um Geld. Sie kennen nur wenige Worte in Spanisch, diese wiederholen sie laufend: Tengo hambre, dame cinco Peso (Habe Hunger, gib mir 5 Pesos).
Manchmal werfen Passagiere aus den Autos Obst, Süßigkeiten, Brot und Kekse, auch Wasserflaschen. Die Kinder sammeln die Gaben auf, folgen den Autos in der Staubwolke, rufen nach mehr. Man sieht nicht nur ausgehungerte Kinder, viele der weiblichen Kinder sind auch schon schwanger. Das Elend nimmt seinen Lauf.
Ein Hauch von Hoffnung gibt es in der Siedlung Los Cacaos. Hier haben dominikanische Autoritäten etwas aufgebaut für die haitianischen Bewohner. Montag und Freitag gibt es hier einen kleinen binationalen Markt. Wenige Meter weiter gibt es eine dominikanische Kaserne, in unmittelbarer Nachbarschaft eine haitianische Siedlung.
Bei Guayajayuco sieht man die Unbelehrbarkeit des Volkes in Haiti. Mit Hilfen von Spendengeldern der EU hat der damalige Umweltminister David Fernandez Mirabal zahlreiche Pinien gepflanzt. Doch diese Bäume wurden schon wieder niedergeholzt, die Stämme zu Holzkohle verarbeitet. Nicht einmal die Wurzeln sind übrig, alles wurde mit Macheten zerhackt und genutzt.
Diese Straße zeigt jedem Reisenden unverblümt die Not, was es heißt mit „Nichts“ zu leben. Es gibt Mangel, an allem. Es gibt vor allem keine Arbeit und in der kleinen haitianischen Siedlung El Corte, auch hier eine dominikanische Kaserne in der Nachbarschaft, sagt ein haitianischer Jugendlicher mit verschämter Stimme dass man nur durch die Hilfe der Dominikaner überleben kann.
Nein, diese Reise hat nichts mit Fun und Spaß zu tun. Doch es gibt einem unvergessliche Eindrücke und diese kann man nicht beschreiben, diese muss man selbst erleben.