Dominikanische Republik: Im Nordwesten droht die Katastrophe

 

s4

Las Agüitas ist trocken. Seit gut zwei Jahren kommt hier der Regen nur mal kurz vorbei, hinterlässt aber kaum nennenswerte Niederschläge in der Grenzregion im Nordwesten der Dominikanischen Republik zurück, Provinz Montecristi. 

Hoffnung haben die Männer und Frauen, welche mit Viehzucht und Landwirtschaft ihr einziges Einkommen generieren, nicht mehr. Die Saat vertrocknet, die Tiere verdursten. Unter den Bauern in dieser Grenzgemeinde, Villa Vasquez, ist die Trockenheit extrem, bedingt auch durch das Versagen des Aquäduktes, welches die Inapa (Nationales Institut für Trinkwasser und Kanalisationen) errichtet hat. Nur gegen hohe Bezahlung können sich die Bewohner das Wasser mit LKW´s anliefern lassen, Sparsamkeit ist angesagt, wenn man das Wasser verwendet. 


s1

Die Brunnen sind ausgetrocknet, fördern kein Wasser mehr

2010 hatte man das Aquädukt eingeweiht, aber seit 2 Jahren gibt es kein Wasser mehr aus dem Speicher. Nicht nur Villa Vasquez leidet, es sind noch 12 weitere Grenzgemeinden betroffen. Was ist passiert? Das Bauwerk zeigt Mängel, begonnen bei dem verwendeten Material, welches schnell zerfiel, waren auch die Bodenbedingungen nicht untersucht worden, die Zuleitungen zum Aquädukt sind zerbrochen, es kommt kein Wasser mehr in die Speicher. Und das, obwohl man hier 100 Millionen RD$ verbaut hat. Einmal mehr kommt das brasilianische Unternehmen Odebrecht in ein schlechtes Licht, dieses war für den Bau verantwortlich. Einmal mehr ist Korruption der Grund für viel Leid beim Volk. 

Auf der Mauer einer Lagune, welche abgebaggert wurde zur „Presa de Luciano“, blickt man auf die Hauptwasserquelle von Las Agüitas, in der Gemeinde leben noch 150 Familien. Die Bewohner berichten, dass man schon oft einen sehr niedrigen Wasserstand hatte, aber so trocken, völlig ausgetrocknet bis auf den Boden, das hatte man in der Vergangenheit noch nie gesehen. 

s2

Das letzte Gin fressen Ziegen weg, nichts wächst mehr

Montecristi ist, anders als andere Provinzen in der nordwestlichen Linie, seit Mitte 2018 von einer meteorologischen Trockenperiode betroffen. Diese hat der Region extreme Verluste gebracht, das Wasser kommt vom Inland, ist teuer und muss daher stark rationalisiert werden. Von Januar bis Mai diesen Jahres verzeichnete man Niederschläge von 63 Millimeter / Quadratmeter. Andere Provinzen, wie z.B. Santo Domingo oder Santiago, verzeichneten im gleichen Zeitraum 195 / 280 Millimeter an Niederschlägen. 

Onamet, das Nationale Büro für Meteorologie, gibt dem Phänomen „El Niño“ die Schuld an dieser extremen Trockenheit. In einigen Teilen des Landes kam es immer wieder mal zu Platzregen, die die Trockenheit etwas abgemildert haben. Dennoch, in 93 % der Regionen im Land leiden unter Trockenheit. Vor allem der Süden, Norden und Nordwesten sind stark betroffen. 

s3

Tiere verkaufen, bevor sie verdursten, das ist jetzt die Devise

Die Trockenheit ist nicht nur in der Dominikanischen Republik ein Problem, laut FAO sind 2.2 Millionen Menschen in Mittelamerika betroffen, erleiden Verluste bei den Ernten, bedingt durch Trockenheit. 1,4 Millionen Menschen brauchen Hilfe um die Nahrungsquantität zu garantieren. Laut FAO ist ein Korridor von 1.600 Kilometern von der Trockenheit betroffen, beginnt in Mexiko (Chiapas), geht bis Panama, setzt sich in Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica fort. Für die Bewohner der dominikanischen Gemeinde Las Agüitas ist es die schlimmste Trockenheit seit 60 Jahren.

Luciano Molina, Bürger der Gemeinde, erinnert sich. 1979 schuf man die Lagune Luciano, die als Tränke für das Vieh und zur Bewässerung der Felder diente. Wasser für den menschlichen Konsum holte man aus anderen Quellen mit dem Pferd oder Maultier. Eine der Lagunen war „Lila“, heute ist sie komplett ausgetrocknet. Damals, in den 70er Jahren. als Luciano Bürgermeister der Gemeinde war, regnete es in der Winterzeit alle 8 – 10 Tage, die Bauern konnten ihre Saat ausbringen, alles wuchs , die Ernten waren regelmäßig und sicher. 

s5

Stausee ausgettockent

Die Zeiten änderten sich, als Bauern anfingen, Waldgebiete zu roden um Conucos anzulegen, dort Gemüse, Obst und Tabak anbauten. Seit den 80er Jahren regnete es dann weniger, immer mehr Bauern gerieten in Panik, suchten ihre Chance mit einer Flucht nach Puerto Rico. Viele fanden auf der Nachbarinsel eine neue Zukunft, immer mehr Bürger der Region flohen in Yolas (kleine Fischerboote). Viele alte Bewohner, wie Luciano, sahen ihre Kinder davonziehen, andere versuchten mit ihren kleinen Anbauflächen und Anbauten von Mais, Yucca, Zwiebeln und Tabak ihre Einnahmen zu garantieren. Mehr und mehr Landwirte bauten Tabak an, diese Pflanzen brauchten weniger Wasser. Dieses Jahr ist es os trocken, da fallen die Ernten auch hier komplett aus. 

Ein weiterer Fehler war, dass man ab 1990 Schafe und Ziegen hielt, ohne diese in Fincas zu halten, im eingezäunten Gebiet. Die Schafe / Ziegen ließ man frei laufen und Luciano erinnert sich an die Ansage seines Opas: Wo Ziegen sind, kommt Trockenheit. Heute ist die Landwirtschaft und Viehzucht fast zum Erliegen gekommen, nach dem es fast zwei Jahre keinen Regen gab. 

s6Steppe, wohin man blickt

Yovanny ist eines der Kinder von Luciano. Nach einigen gescheiterten Versuchen im Ausland hat er sich entschieden, das Land und Vieh seiner Eltern zu pflegen. Mehr als 600 Tara (377.280 Quadratmeter) hat er als Weidefläche für das Vieh ausgesät, heute ist eine Wüste geblieben. Das Schnittgras and den Weideflächen, welches für Trockenwaldgebiete geeignet war, ist heute ein Friedhof für seine Kühe. Einst hatte er 240 Kühe, der Ertrag lag zwischen 100 und 150 Liter pro Tag. Heute bleiben ihm noch 20 Kühe, 60 ausgewachsene Kühe und 40 Kälber wurden Opfer der Trockenheit, es gibt weder Wasser noch Futter. Andere Rinder konnte er zum Preis einer „toten Kuh“ verkaufen. Eine Kuh kostet normalerweise etwa 65.000 RD$, heute verkauft man sie für 14.000 RD$ um noch etwas von einer Kuh zu haben. Mehr als 100 Tiere, neben Kühen auch Schafe und Ziegen, hat Yovanny verloren.

Sein restliches Vieh kann er nur tränken und füttern, weil andere Familienmitglieder, die in den USA leben, Geld senden. Ein Sack Futter, meist Kleie, kostet 600 RD$, ein ausgewachsenes Tier braucht pro Tag zwei Säcke Futter. Dazu braucht er 2 Wasserlieferungen pro Woche, jede kostet 3.000 RD$. Einst hatte er auf seinem Grundstück zwei Brunnen bohren lassen, seit fast einem Jahr sind sie trocken, liefern kein Wasser mehr. Yovanny ist nur einer von vielen Bauern im Nordwesten, die solche Verlust hinnehmen müssen. Nach Angaben von Blanco Peralta, Präsident des Bundes der Viehzüchter, sind in der Zeit ab Mitte 2018 und den ersten Monaten des Jahres 2019 rund 9000 Rinder gestorben, das sind rund 40 % des Viehbestandes in der Provinz Montecristi. Die Milchproduktion in der Provinz lag bei 3.000 Litern Milch am Tag, ist heute auf 300 Liter am Tag geschrumpft. 

Bis heute ist die Region von der Trockenheit geplagt, Regen gibt es nur sporadisch, es gibt nicht genug Trinkwasser für die Kühe und anderes Vieh. Die von der Regierung angekündigten Brunnen, die in der Region das Problem lösen sollten, bei Bauern und Viehwirten, wurden nur teilweise gebaut, nicht aber bei den Bauern von Montecristi. Man hat die Brunnen bei Politikern der Region gebaut, die sich dieser Brunnen als persönliches Eigentum bemächtigt haben. Heute kann nur noch der Bauer Vieh halten, der Remesas (Geldüberweisungen) aus dem Ausland erhält, ohne Familienhilfe geht es nicht mehr. In Las Agüitas sind im vergangenen Jahr etwa 600 Rinder gestorben. 

17 Bauern, die mehr als 1000 Tarea mit Yucca, Zwiebeln, Süßkartoffeln und Tabak bewirtschaftet haben, haben die Aussaat eingestellt, es regnet einfach zu wenig. INDRHI hatte 17 Brunnen gebaut, aber keiner dieser Brunnen haben je funktioniert. In einigen Parzellen haben Bauern selbst Brunnen angelegt, auch diese funktionieren nicht mehr ausreichend, die Pumpen benötigen Strom und den gibt es zu selten. Ein Bauer, der einst eine Herde von mehr als 100 Rindern hatte, hat heute noch 60. Der Rest ist gestorben, oder er konnte sie verkaufen, bevor sie den Hungertod erleiden müssten. Bauer Rivas Tatis hatte 26 Kühe, heute sind es nur noch 12, mehr kann er nicht tränken und füttern. 


s8

Im vergangenen Jahr hat die Direktion für Grenzentwicklung den Bau von 50 Brunnen angekündigt, diese sollten das Problem für Viehzüchter und Landwirte einmal mehr lösen, einige wurden gebaut und helfen den Gemeinden El Copey, Sabana Cruz, Buen Hombre und Los Limones, die Gemeinde Las Agüitas wurde erneut vergessen. Man beklagt vor allem die Misswirtschaft, den Bau eines Aquäduktes, welches von Odebrecht mit mangelhafter Qualität errichtet wurde. Hier vermutet man ebenfalls Korruption, insgesamt sind 92 Millionen USD an Geldern durch Korruption versiegt. 2010 wurde das Aquädukt fertiggestellt, seit letztem Jahr ist es wegen Mängeln nicht mehr in Betrieb. 

Probleme haben auch die Hausfrauen. Zaida hat den Großvater im Haus zu pflegen, muss ihn täglich waschen und die Laken wechseln, das Wasser reicht nicht, um Wäsche zu waschen, zu putzen und zu kochen. Sie lebt in der Gemeinde El Manantial, eine Nachbargemeinde von Las Agüitas, hier kommt einmal im Monat ein Wasser LKW von Inapa und füllt die Zisternen der Häuser. Das reicht nicht für den ganzen Monat, weitere Lieferungen muss sie in Botoncillo kaufen, 21 Kilometer entfernt von ihrem Haus. 

In einer Mitteilung von Inapa wurde das Aquädukt angepriesen als Ausdehnung der Wasserversorgung im Nordwesten, zugunsten der Gemeinden Los Uveros, La Baitoa, Las Agüitas, El Charcazo, El Manantial, Playa Buen Hombre, Los Limones, Copey, El Guayo, El Callán und Sabana Cruz Puerto Rico. Baubeginn war am 18. Juni 2007, die Fertigstellung erfolgte am 15. November 2010. Insgesamt kostete dieses Bauwerk 53.900.893 RD$!

Im Vertrag, den die dominikanische Regierung mit der Firma Norberto Odebrecht S.A. geschlossen hatte, war ein Preis von 79,8 Millionen RD$ angegeben worden, am Ende kostete es über 100 Millionen RD$. Der Preis beinhaltete die Anschaffung der Materialien und die Arbeit. Richtig funktioniert hat das Aquädukt nie, anfangs kam ein wenig Wasser, seit mehr als einem Jahr kommt kein einziger Tropfen Wasser mehr, so ein Bewohner der Gemeinde El Manantial.

s10

Wo Ziegen sind, ist Dürre

Das Versagen des Aquäduktes soll unter anderem daran liegen, dass man Röhren verwendete, die zuvor schon bei der Granada Company verwendet wurden, eine Bananen-Firma, wo die Rohre 1946 installiert wurden. Schon damals hatte ein Ingenieur seine Bedenken geäußert, diese alten Röhren aus Eisen zu verwenden. Hector Bautista, ein Beamter der Inapa hat bestätigt, dass man nach der Einweihung bereits einige Rohre flicken musste. Er war damals zuständig für die Wasserverteilung in der Region. Immer wieder gab es Havarien, die Wasserversorgung war unterbrochen.

Die Pumpe, welche in der Gemeinde Los Limonen installiert war, wurde durch Salpeter zerstört. Offensichtlich wurden auch nicht Bodenstudien durchgeführt, um zu bewerten, welche Materialien in dieser Zone verwendet werden können. Der Funktionär erinnert sich, dass wenn man zwischen 10 und 15 Havarien beseitigt hatte, 20 neue Lecks in der Rohrleitung auftauchten. Die Rohre waren alt und rostig, damit waren die Rohre nicht nur porös und brüchig, sie färbten wegen der Rostablagerungen auch das Wasser gelb. Dennoch war am Anfang die Freude groß, dass es überhaupt Wasser gab. Der damalige Inapa Direktor bestätigte, dass in der Ausschreibung von Odebrecht versichert wurde, Eisenrohre der besten Qualität zu verwenden, welche über einen Rostschutz verfügen. Zur Verwendung kamen Jahrzehnte alte Rohre, die schon vom Rost stark angefressen waren. 

Das neue Projekt “Reposición línea de impulsión Ø12”  soll das Aquädukt im Nordwesten wieder in Betrieb nehmen, die Arbeiten schreiten voran, der Kostenvoranschlag beläuft sich auf RD$97,278,529.19. Für die Bewohner ist es ein Wettlauf mit der Zeit. Wie Ramon Rodriguez, ein Viehzüchter, berichtet, sterben von 15 Kühen 8 Kälber und 4 Kühe. Wenn nicht bald das Aquädukt funktioniert oder es ausreichend Niederschläge gibt, sieht sich der Landwirt gezwungen, seine Heimat zu verlassen. 

Weitere Artikel

Translate »